The Fernery

Nur 100 km hinter Jeffrey's Bay, also westlich davon, liegt der Küstenstreifen, der mit einem Küstennationalpark aufwarten kann: Tsitsikamma. Da werde ich mich morgen umsehen. Heute bin ich hier in einer etwas abseits gelegenen Lodge, die zu einer großen agro-industriellen Farm gehört (Holz, Blumen, Milch), sehr hübsch oben über einer kleinen Schlucht des Baches Sanddrift gelegen, von wo aus man an manchen Stellen (!) den Indischen Ozean sehen kann. An das Ufer kommt man wegen der Steilküste hier direkt nicht ran. Eigentlich kann man hier nichts machen außer einem kleinen Weg zu einem Aussichtspunkt ("Sundowner", wird aber heute nichts wegen Wolken) und ansonsten die reichlichen Angebote der Lodge zum Verwöhnen annehmen: Pool, Sauna, Jacuzzis, Terrassen-Bar, gutes Dinner. Ich bin auch etwas Mountainbike gefahren, aber die Wege führen nur durch öde Plantagen.

Morgens war es noch am Strand von Jeffrey's Bay sehr nett. Trotz Bewölkung wurde es rasch sehr warm, aber viele Wellen, sprich viele Surfer waren nicht da. Ein Strandspaziergang, ein Cappuccino, und dann ging es auf die knapp 90 Minuten Fahrt hierher. Hier gibt es dann einige atraktive Parks, besonders den Tsitiskamma NP mit dem berühmten Otter-Trail. Das sollte man aber vorher gut planen, um dafür Zeit zu haben! - Mal sehn, was ich davon mitbekomme, und dann bin gespannt auf die nächsten und letzten Orte vor Kapstadt.



Heute möchte ich etwas aus dem Alltag erzählen, wie er mir hier bisher an verschiedenen Orten begegnet ist. Thema Einkaufen zum Beispiel. Von den Malls will ich nicht reden, die es in allen größeren Orten / Städten  gibt, - kennt man eine, kennt man alle. Ich denke an Supermärkte, Geschäfte für alles, in den Ortschaften. SPAR ist sehr verbreitet, etwas gehoben, wie Edeka bei uns. Dann gibt's die Billigheimer wie Boxer oder Shoprite - mag ich nicht so, aber vor allem die schwarze Bevölkerung kauft dort in großen Mengen ein, vielleicht einmal die Woche (oder gar im Monat?), weils billig ist. Beim Einkauf immer den Kassenzettel behalten, denn am Ausgang (immer separat vom Eingang) werden die Tüten und Taschen kontrolliert und gegebenenfalls mit dem Kassenbon verglichen. Security des jeweiligen Ladens. Ich habe Szenen vor Augen, wie Kinder zwischen den Regalen rumtollen und Verstecken spielen. Die Geschäfte als solche haben den modernen Standard mit Tiefkühlschränken, Fleischereien, Milchabteilungen. Aber doch ist alles anders. Man kauft anders ein: Entweder nur ganz wenig, weils zu mehr nicht reicht, oder bergeweise, weil irgendwie Geld da ist. Draußen steht dann ein alter Pickup, in den alles verladen wird. Ich schreibe von der schwarzen Bevölkerung, so wie es mir in St. Lucia oder in St. John's aufgefallen ist. In weißen Bezirken und Geschäften ist es wie überall: leise und steril. In den Supermärkten der Schwarzen geht es sehr voll und drall und lebendig zu - und jede Menge Aufsichtspersonal ist dazwischen. Draußen vor der Tür sind dann gleich die freien Händler und Märkte, die Lokales feilbieten. Da ist immer der Bär los! Ich finde das faszinierend, und manches Bild hat sich mir eingeprägt. "Weiße" Geschäfte zum Beispiel letztens in Jeffrey's Bay, kann man vergessen: stinknormal und langweilig. Trotzdem habe ich mir dort bei RipCurl nette Sachen gekauft...

Tankstelle. Man bleibt im Auto und wird bedient. Zahlung mit Karte Normalfall. Wenn einem die Scheiben gewaschen werden (man wird meist, aber nicht immer, gefragt), wird natürlich ein Trinkgeld erwartet, ein Tip. Das ist so eine Sache, denn in Touristengebieten wissen sie den Wert sehr wohl einzuschätzen und erwarten 10 Rand mindestens (kleinste Scheine = 60 Ct.),  woanders sind Münzen gängig (5 Rand = 30 Ct.) Zum Vergleich, ich fragte mal einen weißen Südafrikaner: 200 Rand sind als Tages - Verdienst schon eine Menge Holz = 12 Euro. In den Betrieben der Autohersteller wird etwas mehr verdient, dadurch bildet sich allmählich eine Mittelklasse heraus. Es bleibt aber, was die Löhne angeht, letztlich erbärmlich.

Schulen. In den meisten Gebieten, vor allem in den ehemals britischen Gebieten, die ich bisher bereist habe, sind die Schulen gut und neu und die Schüler/innen in Uniform: Lange Hose / Rock, T-Shirt oder Pullover. Fällt auf, wirkt sehr gut. Für die Bildung wird was getan. In der ehemaligen Trans- und Ciskei war das nicht so. Ich hoffe sehr, die nächste Generation vor allem der Schwarzen, hat bessere Chancen. Sie hätte es verdient.

Südafrika ist ein sehr zerissenes Land. Die unmenschliche Apartheid hat für mehrere Generationen die Würde zerstört. Ich habe auch anderswo Armut erlebt, zum Beispiel in Nicaragua. Aber dort ging es dennoch würdevoll zu. Man wusste, wer man war, auch wenn man an das reiche Amerika (USA) noch lange nicht heranrückte. Hier in Südafrika müssen die meisten Schwarzen allererste ihre Wüde wiedererlangen und sich um eine bessere Zukunft bemühen. Bis vor einer Generation (!)  war das witzlos: Es blieb mit Herr und Knecht, wie es immer war. Heute besteht zumindest die Chance, dass sich das irgendwann einmal ändern wird. Der Weg wird noch sehr lang sein.

Von daher finde ich, ist Südafrika mitnichten ein einfaches oder auch nur einfach schönes Reiseland. Die Widersprüche, die Ungleichheit und Ungerechtigkeit schreien gen Himmel. Weiße Südafrikaner mag ich darauf noch nicht ansprechen. Ich bin Beobachter, Lernender. Was sagen sie? "Unpleasant people" - so kann man es auch weg-sehen. Als Urlaubsland nur bedingt tauglich. Klar, der Tourismus bringt Geld, aber das landet dann doch wieder meist in weißen Taschen. Eine altbekannte Zwickmühle. Ich habe es nirgendwo in Südamerika (weißgott mit vielen armen Ländern) so drastisch erlebt wie hier in Südafrika. Allein das macht wenig Freude - und hilft doch zu einer anderen, erweiterten Sichtweise.

Genug für heute. Ich gehe jetzt in meiner weißen Lodge-Blase zu Bett. Wegen der schlechten Internet-Verbindung gibt es nur ein Foto im Beitrag, - und überhaupt nur wenige neue Fotos. Es war vom Wetter her ein trüber Tag - trotz Sauna, Jacuzzi und Pool :)


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