Giant's Castle

Die Überschrift passt nicht ganz, aber doch, ich war heute morgen noch am Giant's Castle wandern. Um 8 Uhr ging es los zu Felsmalereien aus der Kultur der Buschleute, eigentlich heißen sie San, wobei auch das nicht stimmt, denn es gibt /gab verschiedene Völkerschaften. Die San sind nicht ganz so alt wie die Aborigines in Australien, aber manches erinnerte mich daran. Die Zeichnung, die ich zu sehen bekam, sind weniger spektakulär als die australischen, aber doch aufgrund ihrer Feinheit und Genauigkeit erstaunlich. Sie gelten als über 1000 Jahre alt. Zu sehen sind bestimmte große Antilopen dieser Region, auch ein Schamane, der eine Antilope rituell schlachtet. Auf den Fotos kommt das nur recht undeutlich heraus. "Je länger man schaut, desto mehr sieht man." Es gibt hier in der Gegend hunderte solcher Funde von Ritzungen (älter) und Malereien mit Rot und Ocker. Sehr eindrucksvoll.



Die San gibt es kaum mehr, sie wurden von den "Vortrekkern", also den invasiven holländischen Kolonisatoren (Buren), schlicht ausradiert bzw in die Wüste Kalahari (eine der trockensten der Welt) vertrieben. Nur wenige haben überlebt, ein weiterer Genozid. Ihre Kultur ist untergegangen und wird durch solche Funde in Felshöhlungen wiederentdeckt und wachgehalten. Die Usurpatoren haben sich derselben Mittel bedient, wie die weißen Eroberer in Nordamerika: Man töte die Nahrungsgrundlage der Einheimischen (dort die Büffel, hier die Antilopen) , und man ist das Problem mit der indigenen Bevölkerung los: Sie gehen zugrunde. Die San wurden, ähnlich wie die "Indianer",  als Viehdiebe hingerichtet, weil sie sonst keine Nahrungsquelle mehr fanden. Die Buren richteten ganze Regionen ein, in denen das sinnlose Jagen und Abschießen der Wildtiere "just for fun" erlaubt war und gefördert wurde - der Ursprung der heutigen "game parks". Der junge Guide erzählte das alles ganz ruhig, es passte aber erschreckend zu meinen diffusen Vorinformationen. Mir kam die Galle hoch.

Und damit zum Thema, das mir heute wichtig ist. Ich habe es schon einige Male berührt. Es geht um die faktische Apartheid, die es sozial und wirtschaftlich bis heute sehr manifest gibt. Als der frühere Apartheids- Ministerpräsident von Südafrika de Klerk sich mit Nelson Mandela 1989 / 90 "aussöhnte", war das aus Sicht der Weißen der entscheidende Schritt und die wesentliche Motivation, die eigene Macht zu erhalten, dass es nicht so blutig und letztlich für die Weißen machtpolitisch so negativ ausginge wie in Angola oder Rhodesien / Zimbabwe - das war das Horrorszenario. Also de Klerks Weg: Politische Macht teilen mit "one man - one vote",  aber alle wirtschaftliche Macht in den Händen behalten. Das ist bis heute weitgehend gelungen. Ein infames Spiel, ein dunkles Kapitel, das auch Mandela nicht hat lösen können. (Infos: Apartheid-Museum Joburg)

Ich habe noch kein Hotel, kein Resort, keine Pension, kein gutes Restaurant, keinen Supermarkt gefunden, wo Schwarze anders als Hilfskräfte zu finden waren. Vorgestern, im schönen Resort am Amphitheatre, dachte ich: Schau an, da sind zwei Schwarze als Gäste!!! Falsch. Am nächsten Morgen sah ich sie beim Frühstück in Uniform: Als Busfahrer und als Guide eines RSA-Touristik-Unternehmens.

Was ich bisher mitbekommen habe: Fast aller Grundbesitz, fast alle Firmen, insbesondere die Mining Industry, alle großen Hotels und die gesamte Touristik-Branche sind fest in weißer Hand. Schwarze dürfen wie früher nur bedienen. Auch wenn sie heute als "Sir" angeredet werden. Hohle Phrase. Auch heute bin ich wieder in einem sehr britischen Manor, das nur schwarzes Personal hat, aber der weiße Besitzer kam abends beim Dinner, wie hier öfters üblich, alle begrüßen. Und dies ist ein kleines, normales, gehobenes Touristenhotel. Von dem spätkolonialen Stil des letzten Resorts, des Champagne Castle Resort am Giant's Castle, einmal ganz zu schweigen. Da feiert der Kolonialismus von einst fröhliche Urstände: als gegenwärtige Realität. So deutlich ist mir das noch nirgendwo geworden. Ich war schon sehr dankbar und berührt, dass der junge schwarze Guide heute morgen wenigstens die Geschichte der San authentisch erzählte und die Vortrekker als das deutlich werden ließ, was sie waren: Rassistische Kolonisatoren, die nur auf Eroberung aus waren, und deren einziger wirkliche Gegner die Briten in Kwa-Zulu waren. An den Drakensbergen verläuft die Grenze vom einst britischen Kwa-Zulu zum burischen "Oranje Freistaat", heute immer  noch "Freistaat" genannt.

Die Vergangenheit ist hier nicht vergangen, sie ist Gegenwart. Ich habe das noch nirgendwo so deutlich erlebt, was Kolonialismus und Rassismus bedeutete und noch heute bedeutet, nicht in Kanada, nicht in Australien (die haben beide durchaus keine ruhmreiche Vergangenheit), nicht irgendwo in Südamerika, wie hier in Südafrika. Man stolpert täglich drüber. Von den Deutschen in Namibia mal ebenfalls nicht zu schweigen. Das Erbe der europäischen kolonialen Vergangenheit ist sehr viel stärker präsent für die Gegenwart, als viele uns heute glauben machen wollen. Insofern hat meine Reise hier durchaus zwiespältig Gefühle ausgelöst. Es ist schön hier - aber auch schön schrecklich.

Und dann bekomme ich zu hören, wie ich es hätte wagen können, nach Pietermaritzburg hineinzufahren, das sei doch die Stadt des Verbrechens und Gesindels überhaupt. Gemeint war: Es ist eine rein schwarze Stadt. Ich hätte länger dort sein sollen. Südafrika besteht eben nicht nur aus Elefanten, Nashörnern und Giraffen. Südafrika nur als Tourist zu erleben, hat irgendwie auch etwas Falsches. Obwohl, so erlebte ich es heute bei dem jungen Guide, er lebt vom Tourismus der Weißen, und kann sich mit den guten Verdiensten (Tips!) vielleicht eine andere Zukunft aufbauen. Ich würde es ihm sehr, sehr wünschen.

Die Fotos von heute gibt's wie immer im Webalbum.

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